Schule ohne Schüler? Ein Rechenschaftsbericht (nein)
Über die „Arbeit“ eines Lehrkörpers hatte die Gesellschaft wenigstens in den letzten Jahrzehnten ein klares Bild: Morgens hat er Recht und nachmittags frei.
Der bekannte Kabarettist Volker Pispers hat einmal in einem seiner Programme die Frage aufgeworfen, wie sich der gemeine Lehrkörper verhielte, wenn er in den Ferien nicht in der Toskana wandere und diniere, sondern wie Schüler wirklicher (Ferien-)Arbeit in einem Betrieb nachgehen müsse. Was glauben Sie, was glaubt ihr?
Er schriebe, so Pispers, zuerst mit Kreide seinen Namen an die blanke Wand und stelle sodann eine neue Sitzordnung her, kurz gesagt: für Arbeit unbrauchbar!
Weitere Spötteleien könnten hinzugefügt werden.
Das Gedankenexperiment ließe sich aber noch steigern, indem man annähme, dass unser gemeiner Lehrkörper in seiner gewohnten Lebensumgebung der Schule seiner eigentlichen Arbeitsgrundlage verlustig würde, nämlich der Schülerinnen und Schüler. Anders gesagt: Stell dir vor, es ist keine Schule und Lehrerinnen und Lehrer gehen hin.
Die Möglichkeit, dieser Frage nachzugehen, ergab sich in der vorletzten Woche, in der der Krisenstab des Landkreises Siegen-Wittgenstein entschied, dass die Schulen bis Mittwoch bzw. dann Freitag geschlossen werden müssten...für die Schülerinnen und Schüler.
Was heißt und zu welchem Ende führt eine schülerlos Schule?
Qualmt die Kaffemaschine und jauchzen die Herzen der umliegenden Bäckereienlandschaft? Wird die Lehrkraft stoisch beim Schall der Glocke zum Unterrichtsraum schreiten und stoffversunken die geistigen Gebirge erklimmen, selbstberauscht am Ende der Stunde die Gipfelfahne schwenken und zum nächsten 8000er, also der nächsten Stunde, eilen?
Was ist, wenn der Finger juckt, aber kein Schüler für einen Tadel zur Verfügung steht? Bekommt es der jüngere Kollege ab? (Und werden dessen Eltern einsichtig sein?)
Wann wird der Pausenaufsicht die Bedeutungslosigkeit ihres eigenen Tuns gewahr?
Auch hier ließen sich weitere humoristische oder auch abstruse Vorstellungen entwickeln: Notengebung für formvollendetes Einparken zwischen Schneebergen, Fleißsternchen für das ordentlichste Lehrerfach...
Nichts von alledem ist natürlich tatsächlich passiert, und das gerne bemühte Lehrerklischee, soweit sind selbst Kabarettisten gekommen, stützt sich von je her nur auf Einzelfallbeobachtungen.
Am Johannes-Althusius-Gymnasium wurde aus der (Schüler-)Not vielmehr eine Tugend gemacht, denn die Woche bot den Beteiligten Zeit und Gelegenheit, auf die in den letzten beiden Jahren verankerten Entwicklungen bewertend und die anstehenden Aufgaben planend in den Blick zu nehmen: das neue Konzept zur individuellen Förderung, die Umstellung auf die Doppelstunde, die Planung des im Entstehen befindlichen Ganztagsangebots, Baumaßnahmen verschiedenster Art.
Besonders vor diesem Hintergrund standen den Lehrkräften vielfältige Aufgaben bevor, die es in dieser Woche anzupacken galt. Neben den letzten Zeugniskonferenzen für die Jahrgangsstufe 7, die sich bis zum 29. Januar noch auf der Skifahrt in Gossen/Österreich befand, fanden sich am Mittwoch die Fachgruppen zusammen, um in Dienstversammlungen über Anschaffungswünsche zu beraten und somit die Etatplanung zu konkretisieren. Dabei galt der Ausstattung des neu entstandenen Selbstlernzentrums eine besondere Berücksichtigung, einem wichtigen Baustein der individuellen Förderung am JAG. (Ein nicht genauer benannter Schulleiter - der Name ist der Redaktion bekannt - ahnte witzelnd das dicke Ende in Form von langen Wunschzetteln auf ihn zukommen, wenn er den Lehrkräften so viel Zeit zum „Einkaufen“ ließe.)
Ferner konnte die Zeit genutzt werden, um weiteres Fördermaterial zu erstellen. (Was dem Schulleiter wiederum sicherlich besser gefiel).
Mit ähnlicher Intention wurde die alterwürdige Lehrerbibliothek durch kritische Inventur ins neue Jahrtausend begleitet, ohne natürlich bewerte Klassiker der Forschungsliteratur von ihrem verdienten Sockel zu stoßen. Die freigelegten Regale werden demnächst dem Selbstlernzentrum zur Verfügung stehen. Ein weiterer positiver Effekt dieser Maßnahme ist, dass der nun gewonnene Raum in der Lehrerbibliothek zur Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen mit Internetzugang genutzt werden kann. Im Zuge der Etablierung eines Ganztagesangebots wird die Notwendigkeit für einen Teil der Lehrerschaft bestehen, länger am Institut zu verweilen und anfallende Arbeiten dort erledigen zu können.
In den bereits erwähnten Etatberatungen flossen die Überlegungen zum zukünftigen Ganztagsangebot selbstverständlich mit ein.
Neben diesen zentralen Aufgaben der Schulentwicklung konnten in der für alle Beteiligten selbst ungewohnten Situation liegen gebliebene Arbeiten erledigt werden. Es ergab sich außerdem die Gelegenheit, die naturwissenschaftlichen Fachsammlungen und Unterrichtsräume gemeinsam zu sichten und zu ordnen. Dabei soll es im Bereich der Physik zu spontanen Durchführungen von Versuchsaufbauten, die „man“ schon immer einmal anzugehen beabsichtigt, aber nie durchzuführen gewagt hatte. Es ist weder von Zerstörungen noch von Verletzten etwas bekannt geworden, sodass selbst in diesem Fall von einem Erfolg gesprochen werden kann.
Resümee: Sicherlich wird niemand verleugnen können, dass ein freier Tag jemandem geschadet hätte, auch Lehrerinnen und Lehrern nicht.
Angesichts der Möglichkeiten, die diese schülerlose Woche den Unterrichtenden am JAG bot, und angesichts der Aufgaben, die sich derzeit der Schulgemeinschaft darbieten, kann von einer gelungenen Zeit gesprochen werden.
Ob man sich nun gleich zu der Aussage versteifen muss, dass nur eine schülerlose Schule eine gute sei, sei zunächst einmal noch dahin gestellt.
Und ob es in naher oder ferner Zukunft noch einmal die Möglichkeit für eine solche Schulwoche geben wird, liegt allein in Petrus und Pauls Händen.
Mit augenzwinkernden Grüßen
die Berichterstattung